Interview mit Jürg Jecklin - der neue Float QA

Der neue Float

Jürg Jecklin bringt den Float QA

Hans Jürg Baum sprach anlässlich des Klangschlosses 2012 mit Jürg Jecklin. Thema: Der „neue“ Float QA, der nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören war.

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der neue Float Prototyp
der neue Float Prototyp

28. Mai 2012

Jürg Jecklin ist 1938 in Chur geboren. Er arbeitete rund 30 Jahre als Tonmeister beim Radio DRS, bevor er als Professor an die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien berufen wurde. Als Autor publizierte er rund 400 Fachartikel in diversen in- und ausländischen Fachzeitschriften, sowie drei Bücher: das Lautsprecherbuch, Musikaufnahmen, Mono-Stereo-Quadro.

Für seine Tätigkeit als Tonmeister entwickelte Jürg Jecklin die OSS-Aufnahmetechnik mit der sogenannten Jecklin-Scheibe, den Sound Processor Transdyn sowie den elektrostatischen Kopfhörer Jecklin Float, von dem er nun eine neue Version präsentiert hat. avguide.ch hat ihn dazu befragt.

 

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"Jürg Jecklin, Du hast einmal gesagt, der Float sei eine Problemlösung gewesen. Was war denn Dein Problem?"

"Ich möchte mich da selber zitieren:" Ziel der Entwicklung war vor allem eine bessere Überwachbarkeit der Regiemanipulationen bei Aufnahmen, als dies bei Abhörkontrollen mit Lautsprechern in akustisch nicht optimalen Regieräumen möglich ist." (Zitat fono forum Sonderdruck von 9/1971)


"In den 60er Jahren gab es also Dein Wunschgerät nicht auf dem Markt zu kaufen. Nach was für Gesichtspunkten hast Du Dein Arbeitsgerät konstruiert?"

"Kompromisslos in jeder Beziehung. Also im Bezug auf Wiedergabequalität und Tragkomfort."

 

 

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Wieso ein Elektrostat?

"Wieso hast Du das elektrostatische Prinzip gewählt?"

"Aus Qualitätsgründen. Bei einem elektrostatischen Wandler lassen sich die theoretisch möglichen Eigenschaften auch wirklich in der Praxis realisieren. Dazu kam, dass ich nicht in der Lag gewesen wäre, einen dynamischen Wandler selber zu bauen. Dazu fehlten mir die notwendigen Werkzeuge."

"Wie war das mit der Folienbeschaffung? Gab es da bei der Herstellung des allerersten Prototypen anno 1971 auf Deinem "Küchentisch" nicht sowas wie eine Coop-Migros-Saran-Folien-Verbindung?"

"Ich war darauf angewiesen, handelsübliche und leicht beschaffbare Folien zu verwenden. Für die Membran war die Saran- Haushaltsfolie von Migros optimal. Für die Abdeckfolien verwendete ich die dünnere von Coop. Die ganze Entwicklung der Wandler basierte auf den mechanischen Eigenschaften dieser Haushaltsfolien (die es übrigens heute noch gibt)."

"Wie hast Du die Folie bei den Prototypen dauerhaft leitfähig gemacht?"

"Zuerst mit Schlossfit aus der Tube, einer Grafit-Molybdänmischung, die man damals verwendete, um das Einfrieren der Autotüren-Schlösser zu verhindern."

"Laufen die ersten Float-Systeme immer noch, oder gab es da mit all den Jahren doch gewisse Ermüdungserscheinungen?"

"In meinem „privaten“ Referenz-Float sind immer noch Systeme eingebaut, die ich im Jahre 1972 eigenhändig gebaut habe. Sie laufen also seit rund 40 Jahren ohne Probleme und mit unveränderten Eigenschaften."


"War der Float tatsächlich der erste offene Kopfhörer?"

"Ja."

 

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"Kurz nach dem Erscheinen deines „offenen“ Floats kamen andere Hersteller mit offenen Kopfhörern. Wer hat nun wem was geklaut?"

"Geklaut hat da niemand. Die Idee lag in der Luft, und ich habe sie zufällig nur etwas früher realisiert als andere."

"Sennheiser hat ihren ersten offenen Kopfhörer patentieren lassen. Weshalb tatest Du das nicht auch und weshalb musstest Du in der Folge keine Lizenzgebühren an Sennheiser bezahlen?"

"Ich hatte einfach nicht das Geld, um ein derartiges Patent rechtlich verteidigen zu können. So verband ich den Float einfach mit meinem Namen und liess den Namen und das Design als Warenmuster eintragen. Das hat damals für einen weltweiten Schutz bei der OMPI in Genf rund hundert Franken gekostet. Die Patentschrift von Sennheiser war so abgefasst, dass der Float das Patent gerade nicht verletzte. Dazu kam, dass ich damals das Patent hätte anfechten können, da ich bereits in Fachzeitschriften wesentliches über offene Kopfhörer veröffentlicht hatte. Sennheiser hatte also das Patent, und ich meinen unangefochtenen Float."

"Wie, wo und wann wurde der Float so richtig publik gemacht?"

"1971, anlässlich der Funkausstellung in Berlin"

 

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Als Arbeitsgerät entwickelt

Jürg Jecklin im Interview
Immer zu Scherzen aufgelegt: Jürg Jecklin im Klangschloss 2012 ganz in seinem Element....

"Weniger begeistert war Dein Arbeitgeber von einem Spiegel-Artikel, den jemand im Radiostudio Basel an das schwarze Brett hängte. Der damalige Direktor von Radio Basel warf Dir ja vor, Du würdest es schamlos ausnutzen, dass Du bei Radio Basel arbeitest. Wie denkst Du heute darüber?"

Na ja, da drückte eben der Gedanke durch, dass Basel der Nabel der Welt und das Radiostudio Basel zumindest europaweit bekannt sei. Der Spiegelredakteur wusste aber nicht einmal, dass es in Basel ein Radiostudio gab. Auch vom Radiosinfonieorchester Basel, dessen Tonmeister ich damals war, hatte er noch nie etwas gehört. Dass ich das dem damaligen Direktor sagte, machte für mich die Situation auch nicht besser. Die Folge dieser Geschichte war dann, dass ich die SRG verliess und erst nach der Pensionierung des Direktors wieder zurückkehrte.

"Weshalb wurde Dein Arbeitsgerät der Kult-Hörer für sehr viele Audiophile?"

"Das weiss ich wirklich nicht."

"Ja ja...“Bescheidenheit ist eine Zier ....“ Wir wissen es ja beide! Der Grund liegt darin, dass der Float einfach einmalig gut klingt und erst noch einen sehr hohen Tragekomfort hat. Doch nun weiter im Text: Weshalb kamen im Laufe der Zeit auch gewisse Float-Modelle auf den Markt, die mit dynamischen Systemen bestückt waren? Waren die besser, oder nur billiger?"

"Nur billiger. Dank der viel höheren Stückzahlen konnte die teure Spritzgussform für den Bügel amortisiert werden."

"Wir haben heute einen „neuen“ Float, den Float QA. Was ist denn da wirklich „neu“  und was ist gleich geblieben?"

"Gleich geblieben ist die Grundidee und das realisierte Konzept (völlig offen, grossflächige Wandler), die elektrostatischen Systeme und die Klangwiedergabe. Neu sind der Bügel und vor allem das Speisgerät. Das Speisgerät war ja aus Gewichtsgründen immer der qualitätslimitierende schwache Punkt. Die neuen Übertrager sind masslos überdimensioniert, gross und schwer. Das neue Speisgerät wiegt ungefähr 10 kg. Der Float zeigt erst mit dem neuen Speisegerät, was er qualitativ zu leisten imstande ist."

 

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In Deutschland gefertigt

altes und neues Speiseteil für den elektrostatischen Kopfhörer Jecklin Float und Float QA
Das neue Speisgerät für den Float QA ist dermassen schwer, dass es selbst für den Konstrukteur fast zuviel wird...Daneben (links) noch sichtbar: Das alte, relativ kleine Speisgerät.

"Kann man die alten Floats auch mit dem neuen Speisgerät betreiben und was würde das bringen?"

"Ja, ohne Probleme. Beim Anschluss an das neue Speisgerät zeigt auch ein alter Float die gleiche, deutlich verbesserte Wiedergabequalität des neuen Hörers"


"Wer stellt den neuen Float QA her?"

"Die Firma Quad Musikwiedergabe GmbH. Diese Firma baut die Quad-Elektrostaten und hat auch seit Jahren den Float repariert und betreut. Der Zusatz QA bedeutet Quad-Atelier"

"Weshalb steuerst Du den Float nicht direkt, also ohne die lästigen, teuren und schweren Übertrager, von einem Röhren- oder Transistor-Verstärker an?"

"Die Kombination von Elektrostaten mit kompromisslosen Übertragern bildet ein ideales System, das auch von Hochspannungsverstärkern nicht getoppt werden kann. Dazu kommt, dass jeder Besitzer „seinen“ Leistungsverstärker benutzen kann. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend…"


"Was ist in dieser Beziehung in Zukunft noch zu erwarten?"

"Einiges."


"Ganz herzlichen Dank für diese hochinteressanten Informationen."

 

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